Gut gemeint, schlecht gelaufen: Die 10 häufigsten Gründe, warum Transformationen scheitern
Glaubt man den immer wieder zitierten Studien, scheitern bis zu 70% aller Transformationsprogramme oder erreichen die gesetzten Ziele nicht. Und das in einer Vielzahl von Unternehmen, in unterschiedlichen Branchen und überall auf der Welt. Da stellt sich die Frage, welche Faktoren dafür verantwortlich sind – hier eine Auswahl der am häufigsten genannten.
Fehlen einer klaren Vision
Fehlt ein tiefes Verständnis über die Gründe für eine Veränderungsinitiative und deren angestrebten Ergebnisse, kann dies innerhalb einer Organisation zu Angst, Skepsis und Widerstand führen. Oft scheint es für das Management offensichtlich zu sein, dass jeder im Unternehmen die Dringlichkeit der Lage allein aufgrund finanzieller Indikatoren versteht, doch die Realität ist wesentlich komplexer. Erfolgreiche Veränderungen erfordern ein überzeugendes Narrativ, das bei den Mitarbeitenden Resonanz erzeugt und stark genug ist, Begeisterung oder zumindest Offenheit für die Erkundung neuer Wege zu wecken. Dabei geht es aber auch darum, eine glaubwürdige Erzählung zu schaffen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einem sinnvollen Ganzen verwebt.
Überzogene Erwartungen
Aber Vorsicht, ein zu starkes Veränderungsnarrativ kann auch dazu verleiten, zu optimistische Erwartungen bezüglich der Ergebnisse aufzubauen. Unrealistische Ziele zu setzen und diese dann nicht zu erreichen, kann die Glaubwürdigkeit des Führungsteams und der gesamten Initiative schädigen, das Vertrauen in die Fähigkeiten des Unternehmens nachhaltig untergraben und eine Unterstützung für zukünftige Vorhaben noch schwieriger machen. Je größer die Kluft zwischen unrealistischen Erwartungen und dem tatsächlichen Fortschritt wird, desto mehr schwinden Begeisterung und Dynamik, werden Führungskräfte, Mitarbeitende und andere Stakeholder desillusioniert und frustriert.
Schwache Governance
Das Fehlen einer klaren Governance-Struktur kann zu Unklarheit, mangelnder Organisation, Widerstand und Ineffizienz im Transformationsprozess führen, wodurch das Potenzial des Programms wesentlich reduziert wird. Ohne klare Verantwortlichkeiten kann der Fortschritt ins Stocken geraten und werden wichtige Meilensteine möglicherweise nicht erreicht. Es muss für alle klar ersichtlich sein, wie das Programm mit dem Rest der Organisation zusammenhängt, wer Beiträge leisten kann und warum bestimmte Personen dem Programm zugewiesen wurden. Die Verantwortlichen müssen wissen, wie weit ihre Entscheidungsbefugnisse reichen und wer die Letztentscheidung trifft, wenn diese Grenzen erreicht wurden. Ansonsten entstehen unklare Situationen, deren Auflösung lange dauern kann.
Mangelndes Sponsor-Engagement
Als natürlicher Sponsor spielt der CEO, aber auch andere Mitglieder des Führungsteams, eine entscheidende Rolle bei der Steuerung und Unterstützung der Transformationsinitiative. Engagement des Top-Managements kann die Richtung und Wirksamkeit des gesamten Vorhabens maßgeblich beeinflussen. Schwaches Sponsor-Engagement hingegen kann zu fehlender Priorität, unzureichenden Ressourcen, mangelnder Verbindlichkeit und dadurch einer allgemeinen Ablehnung durch die Organisation führen. Sobald dann noch operativer Druck und neue Notfälle dazukommen, wandert der Fokus sehr schnell wieder auf das Tagesgeschäft. Eine dauerhafte und aktive Rolle des Führungsteams ist essenziell – weit über die feierliche Ankündigung eines Veränderungsprogramms hinaus.
Der unterschätzte Faktor Mensch
Obwohl Veränderungsprogramme oft auf den ersten Blick „nur“ Prozesse, Technologien und Strategien zu betreffen scheinen, wirken sie sich tiefgreifend auf die Menschen innerhalb der Organisation aus. Eine Vernachlässigung des menschlichen Aspekts kann zu einer Reihe negativer Konsequenzen führen, vor allem wenn es um eine explizite oder vielleicht auch nur implizit angestrebte Änderung von Verhaltensweisen geht und zu einer Diskrepanz zwischen den Zielen der Transformation und der Kultur der Organisation führt. Diese Diskrepanz kann zu Verwirrung, Vertrauensverlust und einer Beeinträchtigung der Akzeptanz neuer Verhaltensweisen und Praktiken führen. Kultur kann nicht auf einen Streich und direkt geändert werden, ein angestrebter Wandel ist eine Herausforderung und bedarf ausreichender Zeit.
Festhalten an der Vergangenheit
Eine erfolgreiche Transformation erfordert die Bereitschaft, sich von Vergangenem zu lösen, neue Ansätze zu verfolgen und eine agilere und zukunftsorientierte Organisation zu schaffen. Jahrelang eingeübte Prozesse und Denkweisen, die noch dazu früher einmal erfolgreich waren, geben den Mitarbeitenden gerade in herausfordernden Zeiten ein Stück Sicherheit. Ein Ersatz dieses Ankers durch neue und noch unerprobt erscheinende Konzepte wird nicht zwangsläufig akzeptiert, sondern sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Das Festhalten an veralteten Systemen, Prozessen oder Denkweisen stellt daher oft eine Form von Widerstand gegenüber Veränderungen als Selbstschutz dar.
Unzureichende Einbindung von Stakeholdern
Engagement auf allen Ebenen ist das Lebenselixier jeder erfolgreichen Transformation, sie schlägt eine Brücke zwischen der strategischen Vision der Führungskräfte und dem kollektiven Handeln der Belegschaft. Üblicherweise arbeitet ein kleines internes Team eng mit externen Beratern zusammen und informiert die gesamte Organisation über den Status, die erreichten Ziele und die nächsten Schritte. Machen Sie aber nicht den Fehler, „Information“ mit „Einbeziehung“ zu verwechseln. Mitarbeitende zu informieren ist der notwendige erste Schritt, echte Einbindung bedeutet aber, sich kritischen Diskussionen zu stellen, Beiträge ernst zu nehmen und die Mitarbeitenden aktiv an der Veränderung zu beteiligen. Menschen wehren sich nicht grundsätzlich gegen Veränderung, ab dagegen, verändert zu werden. Vermeiden Sie definitiv jede Form einer „Scheinbeteiligung“, das geht in den meisten Fällen nach hinten los.
Uneinigkeit an der Spitze
Haben Sie jemals in einem Unternehmen gearbeitet, in dem das gesamte Führungsteam vollkommen abgestimmt war und ausschließlich auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitete, ganz ohne persönliche Agenda? Dann wissen Sie, wie schwierig es ist, so einen Zustand zu erreichen. Daher kann es schon bei der Definition der Ziele, der vermeintlichen Gründe für die Notwendigkeit oder auch der konkreten Umsetzung zu Unstimmigkeiten kommen. Abhängig von der Unternehmenskultur kann sich das dann weiter auf die nächsten Ebenen übertragen und die gesamte Initiative gefährden. Erschwerend kommt hinzu, dass in Zeiten großer Veränderung in der Regel auch für Führungskräfte viel auf dem Spiel steht, sei es Verlust von Einfluss, Budgets bis hin zur eigenen Position.
Zu wenig Fokus auf die Umsetzung
Ohne effektive Umsetzung bleiben selbst die am besten konzipierten Transformationsstrategien unrealisierte Wünsche. Ein gut umgesetztes Transformationsprogramm stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden, indem es zeigt, dass Veränderungen machbar sind und zu positiven und messbaren Ergebnissen führen können. Mangelnder Fokus auf die Umsetzung kann zu inkonsistentem Vorgehen führen, bei dem hochtrabende Ziele sich im Tagesgeschäft nicht wiederfinden und die Messung und Bewertung der Auswirkungen der Transformation schwierig wird. Als Konsequenz tragen dann Verzögerungen, der berüchtigte „Scope Creep“ und unvorhergesehene Probleme zu einem Scheitern des Vorhabens bei.
Die „Mühen der Ebene“
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, schrieb der berühmte Schriftsteller Hermann Hesse, wahrscheinlich hier im falschen Kontext zitiert. Eine Transformation zu starten ist der einfachere Teil des Unterfangens. Am Beginn herrscht viel positive Energie und die Menschen in der Organisation sind voller Tatendrang – doch nach einer Weile verlangsamt sich der Fortschritt, die Mitarbeitenden gewöhnen sich an den Zustand, die Begeisterung lässt nach und es wird immer schwieriger, eine gewisse Dynamik aufrechtzuerhalten. Hier kommt die schlechte Nachricht: Transformationen sind keine kurzfristigen Projekte, sondern lange Reisen, die kontinuierliche Anstrengung und eine Aufrechterhaltung des Momentums erfordern.
Fazit
Der Weg zu einer erfolgreichen Transformation ist mit zahlreichen Hindernissen gepflastert. Sich der wichtigsten Fallstricke bewusst zu sein hilft aber, um gute Absichten in greifbare Ergebnisse umzuwandeln. Eine klare Vision und Erwartungshaltung, starke Governance und das Führungsteam an der Spitze der Umsetzung schaffen ein solides Fundament. Unterschätzen Sie nicht die Bedeutung des menschlichen Faktors und denken Sie daran, dass eine Transformation eine lange Reise und keine Spritztour ist. Und vielleicht sind Sie am Ende ja Teil der erfolgreichen 30%.